Wilhelma: „Bei uns gibt es Biodiversität pur!“
Klein und Groß lieben die Stuttgarter Wilhelma und ihren Mix aus Zoo, botanischem Garten und denkmalgeschützter Parkanlage. Insgesamt leben hier 11.000 Tiere in über 1.200 Arten, dazu kommt ein Pflanzenbestand mit 9.000 verschiedenen Arten und Sorten. Extend Kunden erhalten um 20 Prozent vergünstigte Eintrittskarten, die Bank übernimmt den im Eintritt enthaltenen Artenschutz-Euro – und unterstützt so eine Vielzahl von Projekten weltweit. Im Interview verrät Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin, warum sich ein Besuch lohnt.
2023 war für die Wilhelma ein sehr erfolgreiches Jahr. Es gab 1,8 Millionen Besucher, mehr als 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie war das möglich?
Diese große Steigerung ist vor allem auf die Terra Australis zurückzuführen, unsere neue große Attraktion, die wir Ende Juli eröffnet haben. Denn in diesen fünf Monaten bis zum Jahresende allein hatten wir 22 Prozent Besucher mehr als im Vorjahreszeitraum. Und das, obwohl 2023 das Wetter nicht besonders gut für Zoobesuche war.
Die neue Australienwelt Terra Australis war so ein großer Magnet?
Ja, in den ersten Wochen standen die Leute anderthalb Stunden Schlange! Man sieht die Tiere auch nicht so häufig in Deutschland. Koalas gibt es zum Beispiel nur an drei anderen Standorten in Deutschland. Quokkas, das sind Kurzschwanzkängurus, gibt es außerhalb Australiens lediglich noch in einem japanischen Zoo. Wir haben teilweise Tiere direkt aus Australien in die Wilhelma geholt.
Die Grauen Riesenkängurus haben jetzt in der Terra Australis eine neue Heimat. Foto: Wilhelma
Und die Terra Australis wird noch erweitert, oder?
Richtig, in einer Ausbaustufe bauen wir jetzt eine Anlage für Nacktnasenwombats, Östliche Graue Riesenkängurus und Bennett-Kängurus. Dann wollen wir uns irgendwann einmal um die Tasmanischen Teufel kümmern und vielleicht kommen noch weitere Ausbaustufen hinzu.
In den letzten zehn Jahren hat sich viel in der Wilhelma getan. Sie ist im europäischen Zoo-Ranking von Platz 14 auf aktuell Platz 5 gestiegen. Welche Bedeutung hat das Ranking, wie wird es erstellt?
Ein britischer Zookritiker veröffentlicht regelmäßig ein Buch, in dem er die Zoos Europas nach einer Reihe von Kriterien bewertet, etwa die Gestaltung der Anlagen, Tierauswahl, Besucherzahlen, Wirtschaftlichkeit und den Artenschutz-Aspekt. Ich bin ja seit genau zehn Jahren Direktor in Stuttgart und in der Zeit haben wir uns um neun Plätze verbessert.
Welche vier europäischen Zoos stehen vor der Wilhelma?
Wien, Zürich, Leipzig und Zoo Berlin.
Auf welche neue Attraktion können sich die Besucher 2024 freuen?
2024 kommt ein neues Waran-Terrarium hinzu; zudem bauen wir an unserer Tigeranlage – aber es ist noch unsicher, ob sie in diesem Jahr oder 2025 eröffnet werden wird.
Woher nehmen Sie denn den Platz für die Ausbaupläne?
Wir haben recht viele alte Anlagen, die wir gut für unsere neuen Projekte nutzen können. Mit 30 Hektar ist der Platz für einen Innenstadtzoo übrigens relativ groß, die meisten Zoos haben nur etwa 20 Hektar.
Für den Ausbau braucht man auch Geld und Baukapazitäten…
Richtig. Außerdem muss man allen auch mal ein bisschen Erholung gönnen. Und wir brauchen auch Zeit, die neuen Projekte zu planen. Und wir hoffen ja auch, irgendwann den Bau der neuen Elefantenanlage starten zu können. Ich bin hier 2014 auch mit dem Ziel angetreten, eine neue Anlage für die Elefanten, das Wappentier der Wilhelma, zu bauen. Wenn das jetzt endlich klappt, wird das die größte Investition in der Geschichte der Wilhelma!
Was haben Sie vor?
Das wird es eine weltweit einmalige Anlage – eine sogenannte Fission-Fusion-Anlage.
Eine was?
Eine Trenn- und Verbindungsanlage. Mit ihr können wir die sozialen Strukturen der Elefanten in der freien Wildbahn komplett nachahmen. Wir können gleichzeitig eine Mutterherde, einen erwachsenen Zuchtbullen und eine Junggesellengruppe halten und können sie nach Bedarf zusammenführen oder trennen. Das wird eine Vorbildanlage für die Zoo-Weiterentwicklung, in der wir die Tiere viel beschäftigen können und ihnen so viel Gelegenheit zum Laufen geben – auch dank unterschiedlicher, computergesteuerter Futterstellen. Die Elefanten müssen immer absuchen, wo gerade etwas passiert, und dadurch bewegen sie sich wie in der Natur.
Die Neugestaltung der Elefantenanlage liegt Ihnen wirklich sehr am Herzen…
Das kann man so sagen! Elefanten sind sozial sehr komplexe Tiere – wenn wir sie im Zoo halten, dann müssen wir es richtig machen. Dann benötigt man auch ein gewisses Platzniveau. Ich habe ja schon bei meiner vorigen Station im Erfurter Zoo eine Elefantenanlage gebaut und bin Leiter der Elefanten-Spezialistengruppe der Europäischen Zoovereinigung. Elefanten sind für mich etwas ganz Besonderes.
Wie viel Platz benötigt die neue Elefantenanlage im Vergleich zur aktuellen?
Mehr als das Zehnfache. Etwa zwei Hektar. Das ist etwa ein Fünfzehntel unserer Gesamtfläche.
Klappt es denn, 2025 mit dem Bau loszulegen?
Das werden wir sehen, aktuell laufen die Haushaltsvereinbarungen des Landes Baden-Württemberg. Wir konkurrieren da natürlich mit vielen anderen Projekten. Die Planungen sind fortgeschritten. Wenn wir das Go bekommen, können wir losbauen.
Wie lange dauert der Bau?
Etwa drei bis vier Jahre.
Wie vielen Elefanten bietet die neue Anlage Platz?
Etwa 15. Aktuell haben wir nur zwei Elefanten.
Bei den Elefanten steht das Tierwohl obenan. Wie steht es darum generell in der Wilhelma?
Wir haben sehr viele Anlagen, wo wir optimales Tierwohl erreicht haben, aber bei einigen haben wir Schwachstellen. Zoos entwickeln sich ja, denn auch die Erkenntnisse zur Tierhaltung gehen immer weiter. Aber auch dort, wo die Anlagen noch nicht unseren Ansprüchen entsprechen, versuchen wir den Tieren mit unseren Tierpflegerinnen und Tierpflegern so viel Beschäftigung und Abwechslung zu bieten, dass es ihnen auch in den älteren Anlagen gut geht. Aber natürlich haben wir für alles einen Masterplan, in dem steht, was wir alles verbessern wollen.
Welche Baustellen sind das denn?
Zum einen die Tiger, denn unsere Raubkatzen haben eher ältere Anlagen mit Käfigen. Aber bei den Tigern sind wir schon tätig und bauen eine neue Anlage.
Bedeutet das mehr Platz bei gleichzeitig weniger Tieren?
Jein. Bei den Großtieren ja, wir haben uns von mehreren Tierarten verabschiedet – etwa von den Flusspferden und den Eisbären. Beide Tierarten benötigen heutzutage auch andere Platzverhältnisse, als wir bieten können. Aber die Anlagen haben wir zum Beispiel genutzt, um den Geparden mehr Platz zu bieten. Generell muss die Anzahl an Tierarten aber nicht sinken, denn wir können eine Großtierart oft durch mehrere Kleintierarten ersetzen. Auf dem Gelände der Terra Australis waren früher vier Arten Menschenaffen; stattdessen haben wir ein neues Menschenaffenhaus mit lediglich zwei Arten gebaut. Und in der Terra Australis haben wir zwölf Tierarten.
Wie schaffen Sie die Balance aus Tierwohl und Besuchermagnet? Ist das schwierig?
Nein, heutzutage nicht mehr. Die Besuchenden haben Verständnis dafür, dass wir angemessene Lebensraumausschnitte zeigen, in denen die Tiere auch mal nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Unsere neue Tigeranlage wird einen halben Hektar groß – für zwei Tiere! Wir werden die Tiere natürlich beschäftigen, etwa mit Fütterungen; wir werden sie auch ins Wasser locken, damit sie etwas schwimmen – und bieten dem Publikum eine Unterwassereinsicht. Wir werden auch einen Besuchertunnel haben, mit dem man nah an die Komfortzonen der Tiger kommt; aber man muss halt in Kauf nehmen, dass sich die Tiger vielleicht auch in das Dickicht legen wollen, wo sie keiner sieht.
Zu Ihrem Zooverständnis gehört, dass man nicht mehr die Checkliste der beliebtesten Tiere erfüllt?
Unsere Tierauswahl machen wir nicht mehr nach diesen Gesichtspunkten. Stattdessen fragen wir uns, bei welchem Tier es sinnvoll ist, in ein Zuchtprogramm einzusteigen. Der Fokus liegt mehr auf dem Artenschutz, aber auch darauf, ob man gute edukative Geschichten erzählen kann. Bei den Koalas kann man zum Beispiel gut über den Klimawandel reden, etwa über die Buschbrände in Australien. Gleichzeitig sind sie ein Publikumsmagnet und es gibt auch ein Zuchtprogramm. Das ist der Idealfall.
Die Koalas gehören zu den absoluten Publikumslieblingen in der Wilhelma. Foto: Wilhelma
Gleichzeitig wollen Sie aber auch immer neue Erlebnisse schaffen, oder?
Tierwohl und Erlebnis schließen sich nicht aus, da wir in unseren neuen Anlagen versuchen, neue Erlebnisse zu schaffen. Je attraktiver wir den Zoo für die Tiere machen, desto attraktiver wird er für die Besuchenden.
Auch das Event-Programm wird umfangreicher und hat nicht nur mit Tieren zu tun – wie etwa Halloween. Gleichzeitig gibt es Artenschutz-Tage. Wie machen Sie den Mix?
Diese Events sind wichtig, um zusätzliches Publikum an die Wilhelma heranzuführen. Mit Kindertagen kann man zum Beispiel junge Familien ansprechen. Und zu unserer Abendveranstaltung Christmas Garden kommen Leute, die sonst nie einen Zoo besuchen – und wenn sie dann den Park erleben, merken sie, wie sich Zoos seit ihren Kindertagen entwickelt haben. Und Halloween ist teilweise der bestbesuchte Tag im Jahr. Und man kann auch edukative Botschaften vermitteln, etwa, dass Reptilien oder Spinnen doch gar nicht so gruselig sind.
Was sind denn die Artenschutz-Tage?
Die Artenschutz-Tage sind für uns besonders wichtig, denn hier kommen viele unserer Projektpartner zusammen und stellen den Besuchenden ihre Arbeit vor – und wie zum Beispiel der Artenschutz-Euro, den viele beim Eintritt zahlen, verwendet wird.
Welche Events stehen im Frühling 2024 an?
Ende März und Anfang April ist die Magnolienblüte das Topevent. Um Ostern bieten wir auch Aktionen rund ums Ei. Dann haben wir Wilde Wochenenden in der Wilhelmaschule, die einzelnen Themen wie etwa Reptilien oder Insekten gewidmet sind. Und Pfingstmontag ist Kindertag.
Wie wichtig ist Ihnen die Kooperation mit der BW-Bank und die Vorteile beim Ticketpreis, die Sie den extend Kunden bieten, inklusive der Übernahme des Artenschutz-Euros?
Mit der BW-Bank haben wir eine tolle Kooperation. Beide, Wilhelma und BW-Bank, haben eine große Bedeutung für die Bevölkerung. Wir sind Marken, die viele Leute kennen und schätzen. Deswegen ist es gut, dass wir so gut kooperieren und den Menschen Vorteile bieten.
Die BW-Bank ist ja seit letztem Jahr auch Pate für eine Zerr-Eiche in der Wilhelma. Welche Bedeutung haben Tier- und Patenschaften für die Wilhelma?
Ich freue mich immer, wenn Patinnen und Paten ihre Verbundenheit mit uns ausdrücken – ob Privatperson oder institutioneller Pate. Zudem stellen sie für uns eine wichtige Zusatzeinnahme dar, die unmittelbar dem Tierwohl und Pflanzenschutz zugutekommen. Etwa beim Bau der Terra Australis, beim Kauf von Beschäftigungsmaterial für Tiere oder von Bewässerungsanlagen für Mammutbäume.